MATERIALAUSWAHL
Bestrahlung von Kunststoffen
Die Energie der Strahlung löst Veränderungen auf molekularer Ebene aus, die sich in den Materialien in der Regel nicht anderweitig erzeugen lassen. Dies eröffnet zahlreiche Möglichkeiten zur Optimierung von Produkten in unterschiedlichsten Branchen. Werkstoffe generell können sehr unterschiedlich auf Strahlung reagieren. Metalle und die meisten anorganischen Materialien werden durch Strahlung nicht verändert, wobei bei transparenten Materialien farbliche Veränderungen auftreten können. Polymere erfahren zwei prinzipiell unterschiedliche Reaktionen, die parallel auftreten und deren Verlauf von den chemischen Eigenschaften beeinflusst wird.
Vernetzung
Die Strahlung erzeugt freie Radikale in der Polymermatrix, die durch den Bruch chemischer Bindungen entstehen. Diese Radikale können sich neu verbinden und neue chemische Bindungen eingehen. Das führt zu einem dreidimensionalen Netzwerk mit verbesserten Eigenschaften bezüglich der Hitzebeständigkeit sowie der chemischen und mechanischen Beständigkeit. Einige Polymere sind so reaktionsträge, dass zur Erreichung eines ausreichenden Vernetzungsniveaus spezielle Vernetzungsbeschleuniger erforderlich sind. Sie müssen dem Polymercompound in geringen Mengen zugesetzt werden.
Kettenspaltung (Abbau)
Einige Materialien reagieren in Form einer Kettenspaltung (Abbau). In diesem Fall wird das Molekulargewicht im Verhältnis zu der eingesetzten Strahlendosis reduziert. Dadurch verliert das Material seine Festigkeit und wird spröde. Für einige Anwendungen ist dies ein unerwünschter Effekt, da er die Funktion negativ beeinflusst. Bei anderen Materialien kann dies gewünscht sein, da das Molekulargewicht sehr präzise eingestellt werden kann, sodass sich die Fließ- und Verarbeitungseigenschaften (Rheologie) gezielt modifizieren lassen. Die Modifizierung von Stärke, Zellulose oder Polypropylen sind wichtige Beispiele für die Anwendung dieses Effekts.
Grundsätzlich lassen sich die durch die Bestrahlung hervorgerufenen Veränderungen wie Vernetzung und Molekulargewichtsabbau auch für Polymerrohstoffe nutzen – zum Beispiel Kunststoffgranulate. Anwendungen sind beispielsweise der gezielte Molekulargewichtsaufbau bei Ethylen(co)polymeren oder die Einführung von Langkettenverzweigungen, um höhere Verarbeitungsviskositäten oder Schmelzfestigkeiten zu erzielen.
Generell lassen sich alle Kunststoffe durch Strahlenvernetzung optimieren, die mit radikalischen Initiatoren, wie Peroxiden, vernetzt werden können. Im Gegensatz zu chemischen Vernetzungsmethoden findet Strahlenvernetzung jedoch bei niedrigen Temperaturen statt. Am häufigsten veredelte Kunststoffe sind die mit der größten Anwendungsbreite: Polyethylen (PE) und seine Copolymere, Polyamid (PA), thermoplastische Elastomere (TPE) sowie Polyvinylchlorid (PVC). Auch Bio-Polymere (z.B. PA410, PA610, PA11, PA12) lassen sich strahlenvernetzen und werden zunehmend häufiger eingesetzt. Für einige Werkstoffe mit geringer Reaktivität ist ein spezieller Vernetzungsbeschleuniger notwendig (siehe Tabelle unten). Diese Zusätze können entweder direkt vor der Formgebung zugegeben, als Masterbatch zusammen mit dem Rohgranulat zugefügt oder direkt als fertiges Compound eingesetzt werden.
Bezeichnung | Vernetzungsadditiv (Ja) | Vernetzungsadditiv (Nein) | |
---|---|---|---|
Thermoplaste | Polyethylen PE (LLDPE/LDPE/MDPE/HDPE/UHMWPE) | x | |
Polypropylen PP (Homo-/Copolymere) | x | ||
Polyamide PA (Polyamid 6/66/11/12) | x | ||
Polybutylenterephthalat (PBT) | x | ||
Polyvinylidenfluorid (PVDF) | x | ||
Ethylen-Tetrafluorethylen (ETFE) | x | ||
Polyvinylchlorid PVC (nur Weich-PVC) | x | ||
Ethylenvinylacetat (EVA) | x | ||
Chloriertes Polyethylen (PE-C) | x | ||
Thermoplastische Elastormere | Polyetherester Blockcopolymer (TPE-E) | x | |
Polyurethan Blockcopolymer (TPE-U) | x | ||
Polyether Blockamid (TPE-A) | x | ||
Elastomere | Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) | x | |
Silikonkautschuk | x | ||
Bio-Polymere | Bio-Polyamide PA (Polyamid 11/12/410/610) | x |
Mit umfangreicher Erfahrung und Fachwissen sind wir Ihr kompetenter Partner für ungelöste Materialfragen.
Wenn Polyamide strahlenvernetzt werden, können sie deutlich höheren Temperaturen von bis zu 350 °C standhalten und weisen ein deutlich verbessertes Verschleißverhalten auf. Auch die Formbeständigkeit unter Wärmebelastung wird verbessert. Strahlenvernetztes Polyamid kann oft Duroplaste bzw. teurere Hochleistungskunststoffe wie PPS, PEI, LCP etc. ersetzen. Zu den langjährig bewährten Anwendungen gehören strahlenvernetzte Bauteile für die Elektro- und Automobilindustrie – beispielsweise Schaltkomponenten oder Komponenten des Motorinnenraums – sowie Bauteile für den Maschinenbau. Zu den derzeit bevorzugten Typen gehören PA 6, PA 66, PA 11 und PA 12. Polyamide müssen zur Vernetzbarkeit ein spezielles Additiv (Vernetzungsverstärker) enthalten.
Die Vernetzung von Polyethylen (PE) erweitert das Anwendungsspektrum dieses Kunststoffes für den Einsatz bei erhöhten Temperaturen oder bei hohen mechanischen und chemischen Anforderungen. Alle Polyethylentypen (PE-HD, PE-LD, PE-UHMW etc.) und ihre Copolymere (EPDM, EVA) sind strahlenvernetzbar. Als teilkristalliner Werkstoff wird PE im Wesentlichen in den amorphen Bereichen vernetzt – Kristallisationsgrad und Dichte bleiben nahezu unverändert. Strahlenvernetztes PE-Xc ist ein bewährtes Material für Rohre und Schläuche, die beispielsweise in Fußbodenheizungen sowie der Gas- und Wasserversorgung eingesetzt werden. Aber auch andere Anwendungsbereiche, wie Transportkisten und rotierende Komponenten, profitieren von den signifikant verbesserten mechanischen Eigenschaften des bestrahlten PE.
Der Vorteil der Strahlenvernetzung bei PBT ist eine erheblich höhere Hitzebeständigkeit: Hierdurch sind kurzzeitige Temperaturbelastungen bis zu 400 °C möglich. Ein wichtiger Anwendungsbereich ist beispielsweise die Elektroindustrie. Duroplaste lassen sich dank Strahlenvernetzung durch Thermoplaste ersetzen, woraus sich deutliche Verarbeitungsvorteile ergeben.
Die Vernetzung von thermoplastischen Elastomeren (TPO, TPC und TPA) gewinnt immer mehr an Bedeutung. Vorteile sind verbesserte Druckverformungsreste und Hot-Set-Werte. In der Kombination ergibt sich der Vorteil der einfachen Verarbeitung eines TPE mit den Eigenschaften eines Elastomers.
Durch ihren chemischen Aufbau können Standard-PU-Typen durch Bestrahlung nicht vernetzt werden. Es sind jedoch modifizierte Typen erhältlich, die sich durch Bestrahlung leicht vernetzen lassen. Bitte sprechen Sie hierzu mit Ihrem Rohstofflieferanten.
In den vergangenen Jahren kamen viele neue Materialien und Copolymere auf den Markt. Es ist nicht möglich, alle zur Strahlenvernetzung geeigneten Materialien aufzulisten. Auch die Entwicklung im Bereich der Bio-Polymere schreitet stetig voran. In verschiedenen F&E-Projekten konnten wir bereits nachweisen, dass biobasierte Kunststoffe, insbesondere „Drop-Ins“, wie Bio-PA und Bio-PE strahlenvernetzbar sind.
Grundsätzlich funktioniert eine Strahlenvernetzung immer dann, wenn eine chemische Vernetzung mit radikalischen Initiatoren (wie Peroxiden) möglich ist. Bitte wenden Sie sich an unsere Experten!
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